Dystopische Gefilde
Die Geschichte der utopischen Literatur über ein idealisiertes, herbeigewünschtes Nirgendwo, das mit positiven Attributen gefüllt wird, beginnt mit Thomas Morus’ Roman „Utopia“. Als er diesen 1516 schrieb, konnte er wohl nicht ahnen, welcher Beliebtheit sich einst die Kehrseite der von ihm begründeten Gattung, die Dystopie, erfreuen würde. Bei Dystopien handelt es sich um meist in der Zukunft spielende Erzählungen, die von einer autoritären, fehlgeleiteten Gesellschaft berichten. Wenn Sie selbst Dystopien schreiben wollen, dann lesen Sie den Beitrag auf jeden Fall bis zum Schluss. Dort wartet eine spannende Schreibübung auf Sie!
Mahnender Zeigefinger trifft Fortschrittszweifel
Wenn man die These vertritt, dass utopische Erzählungen aus der Hoffnung für eine bessere Zukunft geboren werden, dann liegt es nahe, anzunehmen, dass es sich bei Dystopien genau umgekehrt verhält. Werden solche geschrieben, dann stets als Warnung vor Entwicklungen in der Gegenwart, die katastrophale Auswirkungen in der Zukunft haben könnten. So überrascht es auch nicht, dass die ersten dystopischen Texte im Zeitalter der industriellen Revolution entstanden. Mit dem rasanten Aufkommen von technischen Errungenschaften einher ging ein Bewusstseinswandel in der Gesellschaft: Der bisherige Fortschrittsglaube wurde abgelöst von einer Skepsis bezüglich der immer schnelleren Entwicklungen. Erstmals musste sich der Mensch fragen, ob ihm die Verdrängung durch Maschinen drohe. Die Zentralisierung der Machtverhältnisse innerhalb der Länder und der Umstand, dass sich fast alle bewohn- und bewirtschaftbaren Landflächen in der Hand von einigen wenigen Mächtigen befanden, nährten zusätzlich die Zukunftsängste der Bevölkerung.
Zentralisierte Macht und der Kampf des Einzelnen
Zumeist handelt es sich bei dystopischen Erzählungen um ein „Danach“. Es wird eine Gesellschaft beschrieben, die nach Umstürzen – sei es nun durch eine Revolution, eine Umweltkatastrophe oder einen verheerenden Krieg – entstanden ist und von einer zentralisierten Obrigkeit beherrscht wird. Damit einher gehen Einschnitte in die persönliche Freiheit und den Handlungsspielraum der beschriebenen Charaktere. Im Mittelpunkt steht zumeist eine einzelkämpferische Hauptfigur, die diesem Spuk ein Ende bereiten möchte. Außerordentlich an dystopischer Literatur ist, dass der herbeigesehnte Umbruch oft nicht stattfindet. Stattdessen müssen die Protagonist*innen erkennen, dass Widerstand zwecklos ist und sich resignativ mit dem vorherrschenden System arrangieren.
Von Weltliteratur zum Teenie-Drama
Autor*innen, die mit ihren Dystopien der Weltliteratur einen Stempel aufdrückten, gibt es viele. Geeint sind sie in der Überzeugung, dass es in der Gesellschaft Fehlstellungen gibt, die benannt werden müssen. Als Meisterin des Fachs darf die Kanadierin Margaret Atwood gelten, die sowohl gegen christlich-fundamentalistische Politik („Der Report der Magd“) anschrieb als auch gegen eine von Naturkatastrophen gebeutelte Welt („Oryx und Crake“). George Orwell wiederum wurde von seinen Erfahrungen als Polizist im englischen Kolonialstaat Burma so geprägt, dass er in „1984“ vor den Umtrieben eines diktatorischen Überwachungsstaates warnte.
Erstaunlich mag erscheinen, dass dystopische Themen sich auch in der Jugendliteratur großer Beliebtheit erfreuen. Die „Hunger Games“-Serie von Suzanne Collins sei hier nur exemplarisch genannt. Für die Filmkritikerin Dana Stevens ist die Popularität des Genres bei Teenies nicht weiter überraschend, bilde sich dort doch fiktional der Wettlauf um Anerkennung ab, dem sich Schüler*innen täglich ausgesetzt sehen.
Das Prinzip Hoffnung
Dystopien erfüllen eine wichtige Funktion in der gesellschaftlichen Wahrnehmung, denn sie legen den Finger in offene Wunden der Gegenwart. Sind wir uns dieser Problemfelder bewusst, können wir gemeinsam in Richtung einer gerechteren und harmonischeren Zukunft arbeiten.
Schreibübung: Dystopien schreiben für Anfänger
In der vorliegenden Schreibübung geht es um die Perspektivierung. Ihre Aufgabe ist es, ein und dieselbe Szene aus der Perspektive von zwei verschiedenen Charakteren zu erzählen.
Szenario:
Der unscheinbare Bürokrat Julian Nox wird zum neuen Imperator der mächtigen Zentralstabsstelle gekrönt.
Beschreiben Sie seine Krönung aus der Warte von:
- Julian Nox: Bislang Steigbügelhalter der Mächtigen, hat er es mittels Intrigen bis ganz nach oben geschafft. Er feiert seinen Triumph.
- Sarah Nox: Julians Zwillingsschwester hält scheinbar zu ihm. Im Geheimen jedoch plant sie einen Umsturz und die Zerstörung der Zentralstabsstelle.
Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen beim Schreiben!
Das Krimigenre bereitet Ihnen mehr Freude? In diesem Beitrag finden Sie heraus, wie Sie einen wirklich guten Krimi schreiben!