Wer schreibt, der bleibt
Wenn es eine Jahreszeit der Dichter und Dichterinnen gibt, dann ist es der Frühling. In den Bäumen sprießen die Kirschblüten, die Blumen recken stolz ihre Blütenköpfchen aus der Erde und alles duftet nach Anfang. Der Lenz, wie der Frühling in der Sprache der Poesie gerne genannt wird, ist ein einziges Werden und Entstehen. Eine unwiderstehliche Kraft der Inspiration entfaltet sich, eine Kraft, von der vor allem Schriftstellerinnen und Schriftsteller vereinnahmt werden. Diesen Zauber des Anfangs sollten Sie nutzen, um selbst Gedichte aufs Papier zu bringen. Schließlich liefert der Frühling reichlich gute Gründe, um Gedichte zu schreiben. Nicht nur Ihre Kreativität, auch Ihr Hormonhaushalt läuft auf Hochtouren. Durch das Sonnenlicht schüttet das Hirn Serotonin und Dopamin aus wie die Gräser und Bäume ihre Samen. Wir fühlen uns wach, wieder fähig, die volle Schönheit der Welt in uns aufzunehmen und auf dem Papier auszubreiten.
Warum Gedichte schreiben?
Doch sind Gedichte nicht längst aus der Mode? „Warum Gedichte schreiben, wenn sie doch keiner haben will?“, schrieb einst ein geknickter H.C. Artmann nieder. Ganz richtig ist das nicht. Zwar machen Gedichte im Buchhandel weniger als ein Prozent des erwirtschafteten Umsatzes aus. Berühmte Poetry Slammer, die ihre Stücke auf einer Bühne performen, beweisen aber schon lange, dass Gedichte nach wie vor Anklang finden. Der Erfolg moderner Poetinnen und Poeten wie Amanda Gorman, Lisa Eckhart, Julia Engelmann, David Friedrich oder Patrick Salmen spricht für sich. Die Onlinepoetin Rupi Kaur, die ihre Gedichte auf der Fotoplattform Instagram veröffentlicht, vereint mehr als 4,5 Millionen Follower auf ihrem Kanal. Dichterinnen und Dichter sollten Social Media zur Verbreitung ihrer Gedichte also durchaus in Erwägung ziehen. Doch auch abseits von der Vermarktung gibt es viele Gründe, um Gedichte zu schreiben. Fünf von Ihnen haben wir vom Vindobona Verlag für Sie zusammengefasst:
Fünf gute Gründe, um Gedichte zu schreiben
Kreative Freiheit
Gedichte sind eine Spielwiese, auf der man seine kreative Freiheit entfesseln kann. Lyrik ist vor allem ein Spiel mit Worten, Lautmalerei. Sie muss nicht logisch sein, sondern sinnlich. Ihr innerer Kritiker ist Ihr erfolgreichster Widersacher? Dann sollten Sie sich im Schreiben freier Verse üben. Freie Gedichte müssen den Regeln klassischer Lyrik nicht genügen. Weder Metrum, Reimform noch –schema spielen eine Rolle. Es geht nur um Sie und Ihren Bewusstseinsstrom. Schreiben Sie auf, was da ist und entdecken Sie den Spaß am Schreiben wieder.
Beobachten lernen
Schriftstellerinnen und Schriftsteller zeichnen sich zumeist durch eine einmalige Beobachtungsgabe aus. Wer Gedichte schreibt, verbessert diese Fähigkeit. Lyrische Motive verlangen unsere volle Aufmerksamkeit. Beim Dichten geht es oft darum, die verborgene Schönheit aufzuspüren. Durch genaues Hinschauen kann eine Dichterin oder ein Dichter noch in profansten Dingen Schönheit entdecken. Wie sonst ist zu erklären, dass Max Kommerell über eine Puppe, Georg Trakl über den Föhn oder Joachim Ringelnatz über eine Winterstraße schreibt? Schreiben sie regelmäßig Gedichte und auch Ihre Prosa wird davon profitieren!
Show don’t tell!
„Show, don’t tell“, zu Deutsch „Zeigen, nicht erzählen“, ist ein weit verbreiteter Ansatz moderner Erzähltechnik. Statt passiv aus Sicht der Erzählerin oder des Erzählers zu beschreiben, sollen Beschreibungen aktiv in die Handlung eingebettet werden. In der Praxis könnte das so aussehen. Wenn Sie erzählen, schreiben Sie zum Beispiel: „Die Katze war sehr neugierig.“ Wenn Sie aber zeigen, schreiben Sie: „Schon das kleinste Geräusch erweckte ihre Aufmerksamkeit. Madeleine brauchte sich nur im Bett zu wälzen, schon waren die Ohren der Katze gespitzt und ihre Augen weit offen.“ Durch diese Praxis erzeugen Sie mehr Tempo und Spannung in Ihrem Text. Erlernen können Sie diese Technik beim Dichten. Joachim Ringelnatz etwa hätte in seinem Gedicht „Stille Winterstraße“ Nebel und Berge beschreiben können. Stattdessen hat er sie gezeigt:
„Es heben sich vernebelt braun
Die Berge aus dem klaren Weiß,
Und aus dem Weiß ragt braun ein Zaun,
Steht eine Stange wie ein Steiß.“
Sie schreiben gerne blumig? Erfahren Sie in diesem Beitrag mehr über die Bedeutung der Blumensprache.
Sich wieder spüren lernen
Autorinnen und Autoren können sehr verkopft sein. Stunden um Stunden zerbricht man sich auf der Suche nach dem richtigen Wort den Kopf. Das Fühlen tritt dabei in den Hintergrund. Dabei liegt im Gefühl der Schlüssel zum Ausdruck. Nicht umsonst hat Philosoph Søren Kierkegaard die Musik als Sprache bezeichnet. Sie spricht und kommt trotzdem ohne Worte aus. Zurück zum Gefühl findet man zum Beispiel über Gedichte. Riechen, schmecken, hören, fühlen und spüren – in einem Gedicht kommt die ganze sinnliche Qualität des Lebens zum Ausdruck.
Freude verbreiten
Natürlich können Sie Ihre Gedichte für sich behalten. Sie können sie aber auch teilen. Nicht immer muss die ganze Welt Ihre Bühne sein, manchmal reicht auch ein einziger Mensch. Gedichte zum Jahres-, zum Hochzeits- zum Valentins- und zum Geburtstag; Gedichte zur Geburt, zur Konfirmation, zur Sponsion, zum Anfang, zum Abschied; Teilen und schenken Sie Worte – in einer Zeit, in der alles für alle und überall verfügbar ist, gibt es wohl kein größeres Geschenk. Wer Gedichte schreibt, erobert sich ein Stück weit die Ewigkeit. Denn wer schreibt, der bleibt.
Ganz im Sinne des Teilens wollen wir Ihnen an dieser Stelle ein Frühlingsgedicht von Hermann Hesse nicht vorenthalten. Wir wünschen Ihnen ein schönes Frühlingserwachen!
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