Literaturland Japan
Als Japan 1990 zum Gastland auf der Buchmesse Frankfurt ernannt wurde, gab es bereits eine lange Tradition des literarischen Austauschs mit Deutschland. Waren es während der Meiji-Restauration (die Zeit ab 1868, die von einer Zuwendung zum Westen charakterisiert wurde) vor allem japanische Autoren, die deutsches Kultur- und Gedankengut in ihre Heimat brachten, so zählt die Literatur aus dem Land der aufgehenden Sonne heute zu einer der populärsten auf dem deutschen Buchmarkt. Grund genug, um sich den Entwicklungsverlauf der japanischen Literatur näher anzuschauen!
Altertum
Bekanntlich stellt Literatur eine Verschriftlichung von Erfahrungen und (historischen) Entwicklungen dar. Die chinesische Schrift wurde zu Beginn des 7. Jahrhunderts von Mönchen aus Korea nach Japan gebracht. „Kojiki“ und „Nihonshoki“ sind Klassiker der frühen japanischen Literatur, Mythologien, die die Geschichte Japans in Prosatexten und Kurzgedichten schilderten.
Klassik (Heian-Periode) und Mittelalter
In der Heian-Zeit (794–1185) kam es durch die Einführung der Hilfsschriften Katakana und Hiragana zu einer Anpassung der chinesischen Schrift, die bis heute Bestand hat. Katakana wurde von Mönchen und Gelehrten verwendet, während Hiragana sich primär zur Schrift der adeligen Damen entwickelte.
Zwei der wichtigsten Klassiker der japanischen Literatur stammen von Hofdamen aus dem 11. Jahrhundert. Sei Shōnagons „Kopfkissentagebuch“ fand viele Nachahmerinnen, während Murasaki Shikibus „Die Geschichte des Prinzen Genji“ als erster vollständig erhaltener Roman der Literaturgeschichte betrachtet wird. Ein Werk, dessen psychologische Sprengkraft bis heute Leser in seinen Bann zieht.
Von den Kämpfen zwischen den Samurai-Clans Minamoto und Taira zeugt das „Heike Monogatari“ aus dem Jahr 1371.
Edo-Zeit
In der Edo-Periode (1603–1868) kam es zu wesentlichen Entwicklungen in den Gattungen Lyrik, Drama und Prosa. Matsuo Bashō zählt nach wie vor zu den meistgelesenen Dichtern Japans. Er perfektionierte die Formen der Haiku- und Tanka-Gedichte, die heute auch gerne von westlichen Autoren zum Einsatz gebracht werden.
Meiji-Restauration
Die Meiji-Periode (1868–1945) kann als Zeit der Aufklärung betrachtet werden – die Errungenschaften und das Gedankengut der westlichen Zivilisation dominierten fortan die Gesellschaft. Bedeutende Schriften aus dem Westen wurden übersetzt, darunter Mori Ōgais Goetheübersetzungen, die er nach einem Studienaufenthalt in Deutschland anfertigte. Aus dieser Zeit stammte auch seine autobiografische Erzählung „Die Tänzerin“.
In Windeseile durchlebte Japan europäische Literaturströmungen: Auf den Neoklassizismus folgte die Romantik, die vom Naturalismus abgelöst wurde, der in Japan so bedeutsame Vertreter wie Natsume Sōseki hervorbrachte, dessen „Ich der Kater“ allen Katzenfans ans Herz gelegt sei. Der Selbstmord von Ryūnusuke Akutagawa, nach dem der wichtigste Literaturpreis des Landes benannt ist, setzte einen Schlussstrich unter den „Neuen Realismus“, der eine „Kunst der Kunst willen“-Mentalität vertreten hatte.
Nachkriegs- und Gegenwartsliteratur
Zensur durch die amerikanische Besatzungsmacht erschwerte zunächst eine Auseinandersetzung mit den Irrungen und Folgen des Zweiten Weltkriegs. Nach deren Abzug entwickelte sich die „Atombombenliteratur“ als japanisches Spezifikum. Zeitzeugen wandten sich ebenso diesem Thema zu wie die darauffolgenden Generationen. Die Popularität japanischer Literatur am deutschen Buchmarkt stieg nicht nur durch den eingangs erwähnten Auftritt auf der Frankfurter Buchmesse, sondern auch durch die Nobelpreisverleihung an Yasunari Kawabata (1968) und Kenzaburo Ōe (1994). Als heißer Anwärter auf den Preis wird auch Haruki Murakami gehandelt, der sich zum populärsten japanischen Autor der Jetztzeit mauserte. Spätestens seit der kontroversiellen Diskussion seines Werks „Gefährliche Geliebte“ beim „Literarischen Quartett“ setzte ein Boom seiner Werke am deutschen Buchmarkt ein. Japan, als technologieaffines Land stets auf der Überholspur, kennt wenige Berührungsängste, wenn es um Innovation geht – so auch auf dem Buchmarkt. Ein Beispiel: Handyromane als Fortsetzungsgeschichten, die sich vor allem bei jungen Frauen großer Beliebtheit erfreuen.
Fans von Mangas werden mit den Büchern von Banana Yoshimoto ihre Freude haben, orientieren sich ihre dialogreichen Romane doch an dieser japanischen Ausprägung des Comicbuchs.
Unbedingt erwähnt werden sollte noch Yōko Tawada, die seit vielen Jahren in Deutschland lebt und sich auf kongeniale Art der Schwierigkeit widmet, von einer Kultur in die andere zu wechseln.
Fazit
Eine Literatur so bunt wie das charakteristische Seidenpapier und so schmackhaft wie Sushi!
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